«Höchster Zürcher»?

Regelmässig wurde mir in den letzten Wochen gesagt, ich sei jetzt der “höchste Zürcher”. Tatsächlich?
In einer guten Republik müssen die Institutionen so stark sein und so einwandfrei funktionieren, dass schlechte Amtsinhaber keinen übermässigen Schaden anrichten können. Umgekehrt bleibt auch der Einfluss der Besten beschränkt. Personen kommen und gehen; die Institutionen bleiben.
In der Schweiz haben wir dieses republikanische Denken zur Perfektion optimiert. So wechseln in (fast) allen Kantonen wie auch im Bund jährlich die Präsidien der Parlamente ebenso wie die Präsidien der Regierungen. Keine Person soll zu lang in einer zu herausgehobenen Stellung verbleiben.
Weil die Parlamente vom Volk direkt gewählt sind und die gesetzgebende Gewalt ausüben, gelten die Personen an ihrer Spitze landläufig als der “höchste Zürcher”, die “höchste Aargauerin” oder sogar als die “höchste Schweizerin” (im Fall der Nationalratspräsidentin).
Die Regierungen wiederum sind – in den Worten der Zürcher Kantonsverfassung – die obersten leitenden und vollziehenden Behörden. Im Kanton Zürich ist der Regierungsrat dem Kantonsrat weder untergeordnet noch übergeordnet. Nur zusammen funktioniert die Zürcher Republik.
Seit Anfang Mai hat auch der Zürcher Regierungsrat einen neuen Präsidenten. Für ein Jahr – parallel zu meinem Amtsjahr – übt Regierungsrat Martin Neukom dieses Amt aus. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich letzte Woche an seiner Wahlfeier in Winterthur teilnehmen und einige Worte sagen durfte.
Wenn es nach dem diplomatischen Protokoll der Eidgenossenschaft geht, ist er der “höchste Zürcher”.
Wobei: Auch Martin Neukom muss zurückstehen in der Rangfolge gegenüber den ehemaligen Zürcher Mitgliedern des Bundesrats. Protokollarisch sind also Moritz Leuenberger, Christoph Blocher und Ueli Maurer die “höchsten Zürcher”.
Egal wer tatsächlich der “höchste Zürcher” ist: Wir werden beide mit voller Tatkraft und nach bestem Wissen unsere auf ein Jahr begrenzten Ämter ausüben. Im nächsten Mai geben wir dann unsere Ämter weiter in neue Hände.